2004 - Katrin Heyer

Kathrin Heyer – 4. Darmstädter Stadtfotografin

22.05.2004

Katrin Heyer, 1977 im Kreis Pasewalk in Mecklenburg-Vorpommern geboren, hat Kommuni-kationsdesign in Würzburg und Essen studiert. Architekturfotografie ist zu einem ihrer Arbeitsschwerpunkte geworden. Zwischen 1999 und 2003 hat sie bereits international eine Reihe von Ausstellungen bestritten und Preise gewonnen, so den ersten Preis beim Kodak Large Format Injekt Award. Mit einem DAAD-Stipendium ausgestattet widmet sie sich in diesem Jahr fotografischen Projekten in Barcelona.

"Die Fotokünstlerin Katrin Heyer spürte mit ihrer Kamera - zunächst mit einer digitalen, dann mit einer analogen Mittelformat-Kamera - dem aktuellen Erscheinungsbild Darmstadts nach. "Auf meinen ersten Streifzügen durch die Stadt hielt ich wie mit einem Notizbuch alles fest, was mir auffiel - Menschen, Architektur, Landschaften. Dabei kristallisierte sich immer mehr heraus, dass mich in Darmstadt am meisten die Orte am Rande interessierten," sagt dazu die Lichtbildnerin. "Orte, die Unorte sind, an denen sich niemand trifft, an denen man achtlos vorbeigeht, die keiner zur Kenntnis nimmt." Sie interessierte sich also weniger für die Postkartenmotive, das Porzellan-Schlösschen, die Mathildenhöhe mit dem Hochzeitsturm, Theater, Rathaus, Landesmuseum. Das Alltägliche zog ihre Blicke an, das, wie es Alexander Mitscherlich formulierte, "Unwirtliche unserer Städte": Silos, Garagen, Baustellen, kahle Wände, karge Fassaden. Ihr Ziel bestand darin, außergewöhnliche Bilder an ganz gewöhnlichen Stellen zu komponieren. Sie sieht Dinge, die wir kaum wahrnehmen, Dinge, die wir nicht wahrnehmen wollen.

In einem ihrer Fassaden-Bilder schweift das Auge von einer innerstädtischen Brachfläche auf die öde Brandmauer eines blaugrauen Hauses; dort finden sich Spuren entfernter Werbeflächen, da leuchtet der Anstrich noch ein wenig auf, wo bis vor kurzem ein Anbau stand. Solche Spuren verweisen auf Vergangenes. Der Faktor Zeit spielt in der Fotografie Katrin Heyers eine spezielle Rolle: ein knallrot gestrichener Bauzaun verstellt für Monate den Blick auf eine klassizistische Fassade. Stärker könnte der Kontrast kaum ausfallen. Dem Brunnen vor dem Staatstheater im Stil des vor einer Generation uns zu zugemuteten Beton-Brutalismus fehlt, was ihn in allererster Linie ausmacht: das Wasser.

Die Künstlerin geht offen, ohne Vorbehalte auf ihre oft schlicht erscheinenden Motive zu. Der Betrachter ist gefordert, im normalen das Besondere zu sehen. Er sollte wie die Fotografin Zeit investieren, um sich auf die besondere Stimmung, die Präsenz, die Ruhe der Bilder einzulassen. Es wäre jedoch falsch, in den Aufnahmen von Katrin Heyer einzig eine dokumentarische Bestandsaufnahme sehen zu wollen - es handelt sich vielmehr um autonome Bilder. Gemeinsam ist ihnen der komponierende Blick, welcher verschiedene, auch unvereinbare Elemente verschmilzt.

"Randwerk", so der Titel der Ausstellung wie des Kataloges, heißt nun keineswegs, dass die Aufnahmen am Stadtrand entstanden wären. Mitten in Darmstadt, etwa in der Nähe des Hauptbahnhofes oder des Theaters, an der Peripherie der Innenstadt, fand die Fotokünstlerin ihre Bilder. "Werk" ist für sie "Menschenwerk", das Nebeneinander von zu verschiedenen Zeiten von Menschen geschaffenen Dingen. Profane Orte verwandeln sich durch den Bildausschnitt und den dadurch bedingten Grad an Abstraktion sowie durch die fotografische Umsetzung zu surrealen Kulissen."